Motivation, Selbstwirksamkeit und Erwartung

Motivation fragt nach den Beweggründen menschlichen Verhaltens. Eine bekannte Motivationstheorie ist die VIE-Theorie nach Vroom (1964). V steht für Valenz, I für Instrumentalität und E für Erwartung. Die Valenz fragt nach der Wertigkeit eines Handlungsergebnisses. Die Instrumentalität steht für den Mittel-Zweck-Zusammenhang, denn Handlungsergebnisse können positive als auch negative Folgen haben. Die Erwartung ist als Prozentwert zu interpretieren, dass eine eigens durchgeführte Handlung auch zum gewünschten Handlungsergebnis führt (vgl. Nerdinger, 2014, S. 447). Verknüpft man die drei Faktoren multiplikativ, soll laut Vroom (1964) die Motivationsstärke daraus ableitbar sein. Nimmt die Erwartung den Faktor Null an, weil der Mensch nicht daran glaubt durch sein eigenes Handeln das Handlungsergebnis beeinflussen zu können, entsteht bei der Multiplikation keine Motivation.

Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) ist ein weiteres Konzept aus der Motivationspsychologie. Laut Bandura (1977) bezeichnet SWE die Erwartung einer Person, aufgrund eigener Kompetenzen gewünschte Handlungen erfolgreich selbst ausführen zu können. Hohe SWE ist dadurch gekennzeichnet, dass Menschen das Gefühl haben schwierige Situationen erfolgreich bewältigen zu können. Diese Personen sehen Zufall, Glück oder andere unkontrollierbare Faktoren nicht als ursächlich an. Dafür gibt es diverse Belege. Probanden mit einem starken Glauben an die eigene Kompetenz, hoher Ausdauer bei der Bewältigung von Aufgaben, geringer Angststörung oder Depression weisen tendenziell höhere Erfolge im Beruf oder der Ausbildung auf.

SWE kann sich mit der Zeit positiv als auch negativ entwickeln. Menschen die ein hohes Selbstvertrauen genießen und erfolgreich anspruchsvolle Aufgaben lösen konnten, entwickeln tendenziell eine noch höhere SWE. Es kommt zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Et vice versa.

Erwartungen haben generell eine hohe Macht über uns. Unter diesem Tenor wird derzeit an der Universität Würzburg geforscht. Abstract siehe hier: https://idw-online.de/de/news651277

Bereits Mitte des letzten Jahrhunderts konnten Placebo-Effekte dokumentiert werden. Verabreichte man Patienten mit starken Schmerzen statt eines Analgetikums eine Kochsalzlösung konnte im Nachgang eine Linderung der Symptome festgestellt werden. Gleiches gilt für Experimente, bei denen Probanden Bier trinken und ihren „Rausch“ beschreiben sollten. Die Manipulation bestand darin, dass alkoholfreie Biere ausgeschenkt wurden. Alleine die Erwartung, dass durch den Genuss von Alkoholika eine berauschende Wirkung einsetzt, kann zur Wahrnehmungsverzerrung führen.

Schwarz konnte (2015) in einem Experiment bestätigen, dass sich das Schmerzempfinden durch einfache Aussagen manipulieren lässt. „Gibt man Männern zu verstehen, dass sie empfindlicher bzw. unempfindlicher als Frauen seien“, hielten die jeweiligen Versuchspersonen Schmerzen besser oder schlechter aus. https://idw-online.de/de/news651277

Vor diesem Hintergrund werden sich die Betriebswirte vielleicht fragen, wie man die SWE der Mitarbeiter steigern kann. Menschen mit einer hohen SWE sollten höhere Leistungen im Unternehmen erbringen. Bandura (1977) nennt dazu vier Quellen:

  • Performance Accomplishments, d.h. erfolgreiche Bewältigung von herausfordernden Arbeitsaufgaben stärkt den Glauben an die eigenen Kompetenzen.
  • Vicarous Experience, d.h. Mitarbeiter beobachten ihre Kollegen, die gleiche oder ähnliche Aufgaben meistern und trauen sich diese dann selbst zu.
  • Verbal Persuasion, d.h. Vorgesetzte oder Kollegen reden den Mitarbeitern gut zu.
  • Emotional Arousal, d.h. Reduktion von starker emotionaler Erregung vor der Aufgabenbewältigung (bspw. autogenes Training vor einem Meeting) kann Menschen helfen, entspannter die Herausforderung zu meistern.

Literatur:

Bandura, A. (1977). Self-Efficacy: Toward a unifying theory of behavioral change. Psychology Review, 84 (2), 191-215.

Nerdinger, F.W. (2014). Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit. In Nerdinger, F.W.; Blickle, G. & Schaper, N. (Hrsg.) Arbeits- und Organisationspsychologie, (420-440). Wiesbaden: Gabler.

Vroom, V. H. (1964). Work and motivation. New York, NY: Wiley.