Komplexität der Zufriedenheit

Das Confirmation / Disconfirmation Paradigma stellt dar, wie Menschen modellhaft Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit entwickeln.  Zu Beginn entsteht eine Soll-Vorstellung von einem Produkt, einer Dienstleistung oder einer zukünftigen Situation (bspw. am Arbeitsplatz) (Nerdinger & Neumann, 2007, S. 128). Darin manifestieren sich die Erwartungen, Normen, Mindeststandards und Anforderungen. Diese Vorstellungen werden durch vielfältige Faktoren moderiert, bspw. durch Erfahrungen mit anderen Produkten, Dienstleistungen oder vergangenen Situationen, aber auch durch die eigenen Werte, kulturellen Einflüsse, soziale Herkunft etc. Der Mensch wird mit der tatsächlichen Ist-Situation konfrontiert, indem er das Produkt in Besitz nimmt, eine Dienstleistung ausprobiert oder sich in der Situation befindet, die er sich vorher „ausgemalt“ hat. Es kommt zu einem Vergleichsprozess bei dem Soll- und Ist-Vorstellung gegenüber gestellt werden. Entspricht die Vorstellung genau der Realität (Ist = Soll) resultiert daraus laut C/D Paradigma Zufriedenheit. Wäre die Soll-Vorstellung größer als die Realität (Soll > Ist) ist der Mensch unzufrieden und wäre die Erwartung geringer als die Ist-Situation (Soll < Ist) ist er überzufrieden bzw. begeistert.

Um Zufriedenheit zu erheben, können standardisierte Fragebögen zum Einsatz kommen. Kano hat einen solchen Fragebogen entwickelt, der

Quelle: Brüggeman, A. et al. 1975

Erwartungen und Realität über funktionale und dysfunktionale Fragen systematisch erfasst. Andere Erhebungsinstrumente sind mit SERVQUAL (Parasuramen, Zeithaml & Berry, 1985) oder SERVPERF (Cronin & Taylor, 1992) abgekürzt. Diese sind meist für einen speziellen Bereich entwickelt worden, bspw. den Dienstleistungssektor. Die Gemeinsamkeit dieser Messverfahren besteht darin, dass der Befragte Auskunft über seine Vorstellung geben und diese mit der tatsächlichen Situation abgleichen soll. Das setzt erstens voraus, dass der Mensch sich seiner Erwartungen vollstens bewusst war bzw. ist, sich erinnern kann und die zu bewertende Realität in der Gesamtheit erfasst hat und zweitens, dass die Items von allen Probanden gleich interpretiert werden und keine unterschiedlichen Deutungen zustande kommen. Wie schwierig das ist, wird bei der Messung der Merkmalswirkungen nach Kano deutlich. In seiner Auswertungstabelle gibt es die Möglichkeit, fragwürdige Antworten der Probanden einzusortieren, wenn diese widersprüchliche Angaben gemacht haben (vgl. Nerdinger & Neumann, 2007, S. 139).

Roedenbeck (2008) befasste sich insbesondere mit der Arbeitszufriedenheit und äußert dazu folgende Kritik: „Nahezu alle bisherigen Erhebungsinstrumente zur Messung und die theoretischen Modelle zur Erklärung der Arbeitszufriedenheit haben das Problem, dass die Subjektivität des Individuums, dessen Komplexität und die dynamische Komplexität der Situation nicht hinreichend beachtet werden“. Er entwickelt daher ein neues Modell der Arbeitszufriedenheit, das die Komplexität, die Moderatoren und die Situation berücksichtigt (Roedenbeck, 2008) . Er geht davon aus, dass die Messung auf qualitativen und quantitativen Erhebungsinstrumenten basieren sollte, um validere Ergebnisse hervorzubringen (ebenda).

Welche Facetten und Moderatoren im komplexen Modell der Arbeitszufriedenheit eine Rolle spielen kann hier nachgelesen werden: https://www.journal-fuer-psychologie.de/index.php/jfp/article/view/197/107

Das dürfte insbesondere für die Studierenden im Masterstudium Sales und Marketing von Interesse sein, die sich intensiv mit der  (Arbeits-) Zufriedenheit und deren valider Erhebung beschäftigen.

Literatur:

Bruggemann, A., Großkurth, P. &  Ulich, E. (1975). Arbeitszufriedenheit. Bern: Huber.

Cronin, J. J. & Taylor, S. A. (1992). Measuring service quality: A reexamination and extension. Journal of Marketing, 56, 55–68.

Nerdinger, F.W. & Neumann, C. (2007). Kundenzufriedenheit und Kundenbindung. In Moser, K. (Hrsg.). Wirtschaftspsychologie (128-146). Wiesbaden: Gabler.

Parasuraman, A., Zeithaml, V. A. & Berry, L. L. (1985). A conceptual model of service quality and its implications for future research. Journal of Marketing, 49, 41–50.

Roedenbeck, M. (2008). Theoretische Grundlagen eines komplexen Modells der Arbeitszufriedenheit (KMA). Eine theoretische Meta-Analyse. Journal für Psychologie, 16, 1-19.

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