Strukturiertes Einstellungsinterview als valides Instrument zur Personalauswahl

Konventionelle Einstellungsinterviews, wie sie vielfach in deutschen Unternehmen durchgeführt werden, entsprechen statistisch gesehen fast dem reinen Raten bei der Personalauswahl (vgl. Schmidt & Hunter, 1998). Faktisch könnten die Bewerbungen auch abgezählt und bspw. jede dritte eingehende Bewerbung angenommen werden. Personalverantwortliche unterliegen nämlich Fehlurteilen durch Primacy- und Halo-Effekten oder Selbstdarstellungstalenten seitens der Bewerber. Manchmal reicht schon die ethnische Herkunft, das Geschlecht oder die Attraktivität eines Bewerbers aus, um abgelehnt oder angenommen zu werden. All dies hat nichts mit seiner späteren beruflichen Leistung zu tun.

Personalauswahl, Bewerbungsgespräch, Einstellungsinterview
Personalauswahl, Bewerbungsgespräch, Einstellungsinterview

Levashina, Hartwell, Morgeson & Campion (2014) fassen in ihrer Überblicksarbeit 20 Jahre der Forschung in diesem Bereich zusammen. Sie kommen zu dem Schluss, dass Einstellungsinterviews sehr wohl als Prädiktor für die spätere berufliche Leistung dienen können, allerdings nur dann, wenn die Gespräche Struktur haben. Die Autoren geben folgende Empfehlungen (Levashina et al., 2014).

In strukturierten Einstellungsinterviews werden aus der Arbeitsanalyse abgeleitete Leitfragen festgehalten, die einheitlich an alle Bewerber zu stellen sind. Von Seiten des Personalverantwortlichen darf keine Hilfestellung bei der Beantwortung der Fragen gegeben werden. Neben den Leitfragen dürfen aber situative Fragen dem Bewerber gestellt werden: „ Stellen Sie sich vor, Sie müssten für unser Produkt einen Neukunden akquirieren, wie würden Sie vorgehen?“. Die situativen Fragen können sich aber auch auf die Vergangenheit beziehen: „Wie sind Sie bei Neukundenakquise vorgegangen?“. Die Bewerber dürfen erst zum Schluss eigene Fragen stellen, um das Einstellungsgespräch nicht zu verzerren.

Die Auswertung der Interviews erfolgt anhand eines einheitlichen und objektiv nachvollziehbaren Schemas. Ergänzt wird das Urteil durch Beobachtungen seitens des darauf geschulten Personalverantwortlichen. Bei einem konventionellen Einstellungsgespräch kann man nur 2% der Varianz erklären, wenn der spätere berufliche Erfolg prognostiziert werden soll. Bei dem strukturierten Interview sind es bereits 16%, was angesichts der vielfältigen Einflussfaktoren auf die berufliche Leistung einen beachtlichen Wert darstellt (Schmidt & Hunter, 1998).

Dieses Verfahren bietet aber auch Nachteile (Levashina et al., 2014). Bewerber empfinden die Situation als schwieriger und unangenehmer. Gerade bei Fachkräftemangel könnte so die Suche nach geeigneten Mitarbeitern erschwert werden. Außerdem ist der Aufwand einen Interviewleitfaden pro Vakanz zu stellen deutlich höher und der Personalverantwortliche könnte sich in seiner „Freiheit“ eingeschränkt fühlen, aus dem Bauch heraus Fragen zu stellen.

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Literatur:

Levashina, J.; Hartwell, C.; Morgeson, F. & Campion, M. (2014). The Structured Employment Interview: Narrative and Quantitative Review of the Research Literature. Personnel Psychology, 67 (1), 241–293.

Schmidt, F. & Hunter, J. (1998). The validity and utility of selection methods in personell psychology: Practical and theoretical implications of 85 years of Research findings. Psychology Bulletin, 124, 2, 262-274.

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