Implizite Persönlichkeitstheorien der Führung, nachdem Führungsverhalten durch angeborene Persönlichkeitseigenschaften geprägt ist (great man theory), sind widerlegt worden. Seit der Kontingenztheorie der Führung von Fiedler ist klar, dass Führungserfolg von der Günstigkeit der Situation abhängig ist. Persönlichkeitsmerkmale wie Intelligenz, Empathie usw. spielen ebenfalls eine Rolle, die Günstigkeit der Situation ist die entscheidende Moderatorvariable, ob eine Person Führungserfolg erlangen kann (Fiedler, 1967).
Diese Erkenntnisse liegen bereits 50 Jahre zurück. Es stellt sich die Frage, wie sich Führung weiter entwickelt?
Mitarbeiter sollen sich zunehmend über digitale Kommunikationskanäle möglichst in Echtzeit mit den Kunden austauschen, um dem „always on“-Verhalten der Konsumenten zu entsprechen. Wie sieht es mit den Führungskräften aus? Dürfen diese auf die digitale Revolution in ihrer Arbeit verzichten? Wohl kaum. Eine umfangreiche Forschungsarbeit an der Goethe Universität Frankfurt am Lehrstuhl für Leadership and Behavior in Organizations deckt auf, wohin der Trend gehen sollte.
Unter dem Stichpunkt digital Leadership wird untersucht, wie wichtig den Mitarbeitern die Führung durch digitale Instrumente ist, wie stark diese durch die Führungskräfte eingesetzt werden, welche Kompetenzen und welche Rahmenbedingungen in den modernen Unternehmen dafür geschaffen werden müssen. Unter digitalen Instrumenten werden der Einbezug von kollaborativen Softwarelösungen, Projektmanagementsoftware-Produkte, digitale Vernetzungen mit den Mitarbeitern etc. in der Führungsarbeit verstanden (van Dick, Helfritz, Stickling, Gross & Holz, 2016).
Insgesamt wurden 325 Mitarbeiter befragt und Experteninterviews durchgeführt. Wie auch bei der digitalen Kommunikation mit den Kunden kann festgestellt werden, dass digital Leadership als „bedeutsam“ und „unabdingbar“ erachtet wird, dessen Umsetzung in den Unternehmen aber eher schlecht voranschreitet (van Dick et al, 2016, S. 6).
Leider werden diese Ergebnisse „nur“ auf Branchen sowie Mitarbeiterzahlen heruntergebrochen und nicht auf einzelne betriebliche Funktionen. Es stellt sich daher für das Modul Vertriebsführung im Masterstudium Sales and Marketing die Frage, wie hier digital Leadership sinnvoll eingesetzt werden kann? Welche Möglichkeiten sich daraus ergeben, können sich die Studierenden mit der Spezialisierung Vertrieb bis zur nächsten Präsenzveranstaltung selbst überlegen.
In der Studie von van Dick et al. (2016, S. 12 ff.) wird neben der Diskrepanz zwischen Bedeutung und Umsetzung hinterfragt, warum digital Leadership in wenigen Unternehmen etabliert ist. Eine Erklärung liegt darin, dass Führungskräfte diese moderne Art zwar ebenfalls als wichtig einschätzen, aber keine Schulung oder Trainings in diesem Bereich absolvieren (möchten). Zunehmende Wettbewerbsintensität und Benchmarks der Konkurrenz erhöhen allerdings den Druck, sich mit digital Leadership-Instrumenten auseinander zu setzen. Digitale Führungsinstrumente sind zudem nicht von einem digitalen Geschäftsmodell abhängig. Auch Unternehmen mit klassischen Konzepten können sich erfolgreich den digitalen Führungsstil aneignen, wenn die Geschäftsleitung, die Führungskräfte sowie Mitarbeiter hinter diesem Modell stehen (van Dick et al., 2016, S. 15 ff.).
Wenn Sie tiefer in die Thematik „zukunftsorientierte Führung“ einsteigen wollen, empfehle ich auch den Beitrag von Kruse & Greve (2014) auf Youtube oder lesen sich die Zusammenfassung der Forschungsergebnisse als PDF durch.
Literatur:
Fiedler, F. E. (1967). A theory of leadership effectiveness. New York: McGraw Hill.
Kruse, P. & Greve, A. (2014). Führungskultur im Wandel. [Internet: http://www.inqa.de/SharedDocs/PDFs/DE/Publikationen/fuehrungskultur-im-wandel-monitor.pdf?__blob=publicationFile 08_16].
Van Dick, R.; Helfritz, K.; Stickling, E.; Gross, E. & Holz, F. (2016). Digital Leadership. Die Zukunft der Führung in Unternehmen. [Internet: http://www.clbo-frankfurt.org/media/2016/06/Digital-Leadership-Stsudie.pdf 08_16].